BEGEGNUNGEN – oder: „SMer ficken nicht“

Von Valérie Francès-Pecker
Voraussichtliche Lesedauer: 5 Minuten
BEGEGNUNGEN – oder: „SMer ficken nicht“
BEGEGNUNGEN – oder: „SMer ficken nicht“

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Brauchen Fetischisten keinen normalen Sex?

Normaler Sex ist mir zu langweilig. Das war er schon immer. Man trifft jemanden und spielt das alte Balzspielchen; man geht ins Kino oder Essen, irgendwann die erste Berührung, er legt einen Arm um dich, irgendwann der erste Kuss. Alles läuft darauf hinaus, dass er dich ficken will. Und beim dritten oder vierten Date sagst du “ja”. Er poppt dich und spritzt irgendwann ab. Wenn du Glück hast, kommst du auch zum Höhepunkt. Und fragst dich hinterher: “Wozu mache ich das eigentlich?!”


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SMer ficken nicht, sagen eingefleischte Anhänger der Szene. Aber stimmt das? Ist es wirklich wahr, dass unter den “Perversen” kein Bedarf an normalem Sex besteht?

BEGEGNUNGEN – oder: „SMer ficken nicht“

Was bringt es mir?!

Vielleicht lässt du das ganze Vorgeplänkel auch weg, steigst mit dem, der dich interessiert, direkt in die Kiste. Und fragst dich dann wieder: “Was hat mir das jetzt eigentlich gebracht?”

So ging das mir zumindest immer. Viele Jahre hatte ich gerne und viel Sex mit verschiedenen Männern. Aber der Hunger, der mich antrieb, der ließ sich nicht stillen. Nie. Bis ich den SM für mich fand.

Ich war 22 Jahre jung, als ich meine erste Session hatte. Eine Session, die geprägt war vom Fühlen, vom Erleben, bei der es nicht zum Sex kam. Nicht mal zum Höhepunkt, für keinen von uns. Und es war toll. Endlich hatte ich eine Form der Sexualität entdeckt, bei der es sich nicht um Sex drehte. Nicht um Gier, nicht um Lust- und Triebbefriedigung, nicht um Orgasmen. Hier ging es um die “andere” Seite, um all die anderen Gefühle, die noch in uns stecken, aber so oft so sehr vernachlässigt werden. Angst, Hingabe, Schmerz und – Liebe. Ja, Liebe. Denn SMer ficken nicht. Oder?

Die wundervollste Zeit meines Lebens

Es folgte eine wundervolle Zeit in meinem Leben. Eine, in der ich endlich glaubte, angekommen zu sein. Nun bräuchte ich das nicht mehr – andere Männer. Nun war ich ja endlich angekommen und hatte gefunden, was ich mein Leben lang gesucht hatte. Mein Hunger war endlich gestillt – dachte ich. Aber was sollte ich mich täuschen…

Nach dem SM kam die Routine, nach der Routine kam der Alltag. Irgendwann kam er wieder – der alte “Hunger”. Doch ich hatte mich verändert, entwickelt. Und selbst, wenn ich in einer ehrlichen Partnerschaft lebe, was wollte ich denn eigentlich? Sex mit Fremden? Nein danke. Das hatte mich schon früher nicht erfüllt und würde es auch heute nicht tun.

Durch meine “SM-Karriere” war ich irgendwann an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht nur den Sex, sondern die Lust im Ganzen ablehnte. Warum das so war, konnte ich gar nicht beantworten. “Ich bin SMerin”, war immer meine Aussage, “und SMer ficken nicht”.

Ich hatte das große Glück, einen weiteren Partner zu finden, der meine Meinung teilte. Wieder hatte ich das Gefühl, “angekommen” zu sein. Und wie ein Puzzlestück passte er sich in mein Leben ein, als jemand, der mich und meine Sexualität verstand, dessen Ziel weder Geschlechtsverkehr noch Orgasmen waren, für den der SM ebenso elementar war wie für mich und den ich ohne Zögern als Gefühlsjunkie bezeichnen würde – jemand der auf der Suche nach Emotionen und Erleben war – und nicht nach Sex. Denn SMer ficken nicht – eigentlich. Oder was nun?

BEGEGNUNGEN – SMer ficken nicht

Polygam oder polyamor?

Zu diesem Zeitpunkt bezeichnete ich mich selbst zum ersten mal als “poly”. Polyamor zu sein, das ist in heutzutage, besonders als SMer. Jeder zweite von uns sagt das mit einer Selbstverständlichkeit, so dass fast Zweifel aufkommen mögen, dass es noch andere Lebensstile gibt – geschweige denn welche, die in Ordnung sind. Doch poly? Aber SMer ficken nicht, oder etwa doch? Poly – ein Wort, das meiner Meinung nach aber allemal besser klingt als “Fremdgängerin“, denn die war ich früher, in den Beziehungen, die daran zerbrachen. Polyamor – ein Wort, das mir aber auch geholfen hat, mich selbst zu akzeptieren. Ein Wort, das meinen Hunger beschreibt, der Hunger, der sich nicht stillen lässt, es niemals wird.

Zu groß ist meine Lust auf fremde Haut, und bei jedem neuen Mann, der meinen Weg kreuzt, der mein Interesse weckt, weiß ich es vorher. Dass es wieder passieren wird. Dass auch er nicht der letzte bleiben wird.

… und der Hunger hört nie auf!

Dennoch: Normaler Sex ist mir zu ordinär. SMer ficken nicht. Oder eben anders. Das war immer schon so. Nichts gäbe es mir, einen süßen Boy in einer Bar aufzureißen und ihn einfach so zu vernaschen wie jeder Vanilla oder Stino. Oft sitze ich den interessantesten Menschen gegenüber, bei denen die Chemie stimmt und alles zu passen scheint. Und dann frage ich mich, was ich mit ihnen sollte. Sie sind keine SMer und ich bin kein Vanilla. Wenn ich vorher schon weiß, dass ich nicht satt werde, dann brauche ich nicht zu essen.

Die wahre Macht der unstillbaren Gier – denn SMer ficken eben doch, aber anders!

So bin ich auf der ewigen Suche nach dem Erleben, nach dem Kopffick, nach dem Gefühl und nach echten Emotionen. Ich habe gelernt, die Menschen, die dabei meinen Weg kreuzen, ob bewusst oder unbewusst, als Bereicherung zu empfinden. Die meisten von ihnen verlassen meinen Weg nach kurzer Zeit wieder, und das ist auch okay. Der Augenblick steht im Vordergrund, die Begegnung an sich.

Nicht viele Männer schaffen es, mein Interesse zu wecken, aber diejenigen, die es tun, die möchte ich als etwas Besonderes in Erinnerung behalten, wichtiger noch: ich möchte mich überhaupt an sie erinnern – mit Freude und dem Wissen daran, mit einem besonderen Menschen etwas besonderes geteilt zu haben. Denn eigentlich: SMer ficken nicht. Zumindest nicht gewöhnlich. Sondern kopflastiger und einfach irgendwie anders.

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