Devotion – Die Relativierung des eigenen Schmerzes

Von Valérie Francès-Pecker
Voraussichtliche Lesedauer: 5 Minuten
Devotion – Die Relativierung des eigenen Schmerzes
Devotion - Die Relativierung des eigenen Schmerzes

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Relativierung des Schmerzes im BDSM

D/S im Kontext des eigenen Lebens

Ein Mann, reich an Jahren und versiert im Umgang mit Devotion, sagte einmal zu mir: „Was passiert, wenn du einen Hund in den Kofferraum sperrst und zwei Stunden alleine lässt?“. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich. Seine Antwort war: „Wenn du den Hund nach zwei Stunden aus dem Kofferraum lässt, wird er sich freuen dich zu sehen“. Ich nickte. „Versuche dasselbe mal mit einer Frau“, sagte er, und ich wusste, worauf er hinaus wollte. Manchmal müsse man einfach ein bisschen weniger Frau und ein bisschen mehr Hund sein.


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Devotion - Die Relativierung des eigenen SchmerzesDevotion ist keine Neigung, es ist eine Lebensweise

Dieser Vergleich hat für mich nichts mit D/S oder SM zu tun. Ich betrachte gewisse Verhaltensweisen im Umgang mit meinen Mitmenschen und im speziellen mit meinen Partnern als hilfreich und sinnvoll. Dies ist so etwas. Meine eigene Mutter hat mir gezeigt, wie ich nicht werden wollte. Ihr Alltag war geprägt von Streit und Wut. Ihr Umgang mit meinem Vater nicht nachahmenswert. Ich bin knapp Mitte 30 und habe bereits eine Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen, die andere ihren Lebtag nicht erreichen. Meine wichtigste Regel dabei: Menschen kann man nicht ändern, und wenn ich jemanden liebe, dann liebe ich ihn so, wie er ist. Das bedeutet, ich werde nicht versuchen ihn zu ändern.

Das schließt kleinere Manipulationen aus, denn sexuell motivierte Manipulationen sind etwas, was mir ungemeine Freude bereitet und das ich als einen wichtigen Aspekt meines persönlichen SM betrachte. Ich meine hier den Kern eines Menschen, den will ich nicht ändern, das sollte niemand. Nun wurde ich jedoch aufgrund dieser Einstellung, nämlich einerseits einen Menschen so zu nehmen wie er ist und andererseits um meines eigenen Seelenfriedens willen eher öfter als seltener mal „Fünfe gerade sein zu lassen“, mit einer Eigenschaft betitelt, in der ich mich so ganz und gar nicht wiederfinde, es fiel das Wort Devotion.

Die offizielle Definition von Devotion wirft Fragen auf

Ich bin sehr selbstkritisch und höre mir eigentlich alles an, aber hier konnte und kann ich nicht zustimmen. Unter Zuhilfenahme von Wikipedia ließ sich im darauf folgenden Gespräch also anschließend eine Definition für das Wort „Devotion“ finden: Eine Person wird als devot bezeichnet, wenn sie sich freiwillig von einer anderen dominieren lässt. So viel zu Wikipedia – nur wirft diese Festsetzung mehr Fragen als Antworten auf.

Ich kenne Menschen, die wirklich sehr devot sind. Damit meine ich nicht, dass sie sich alles und jedem sofort vor die Füße schmeißen, wobei ich auch das schon erlebt habe. Damit meine ich Menschen, die tatsächlich ihr Glück aus dem Glück des anderen, des Top, ziehen. Das ist meine persönliche Definition von „Devotion“, nicht jemand, der während einer Session auch mal unten spielt, sondern jemand, der glücklich ist, wenn es der andere ist, jemand, der Schmerz erträgt, weil er weiß, dass es den anderen glücklich macht – und dessen eigener Schmerz dadurch relativiert wird.

Der Gehorsam kann mehrere Gründe haben

Ich kenne auch Menschen, die sich als devot bezeichnen, es in meinen Augen aber kein Stück weit sind. Eine Freundin von mir sagte einmal: „Ich bin eine starke Frau, die weiß, was sie will, und dennoch bezeichne ich mich als devot, da ich ganz einvernehmlich schlimme Dinge mit mir machen lasse. D/S ist nicht mein Ding, ich bin kein Kind mehr. Dennoch kann es vorkommen, dass ich einen Befehl befolge, dies kann mehrere Gründe haben“.

Sie führte anschließend die verschiedenen Szenarien auf: Um zu sehen, was passiert, weil sie Angst hat, was passiert, wenn sie es nicht tut; weil sie keine Lust oder keine Kraft hat, einen Befehl zu verweigern oder weil sie es nach reiflicher Überlegung für sinnvoller hält. Diese Frau ist wahrscheinlich tougher als die meisten Domsen da draußen, dennoch hält sie sich für devot – und ich sie nicht!

Reden wir mal über ein Thema, was beim D/S gerne mal totgeschwiegen wird oder einfach unter den Tisch fällt: Zwang. Es gibt Menschen, die können nicht ohne. Der Zwang ist elementarer Bestandteil ihres BDSM. Sie müssen gezwungen werden und das Gefühl haben, dass sich alles andere ihrer Kontrolle entzieht. Tunnelspiele sind ein Muss und Codewörter ein Tabu. Sind diese Menschen devot? Mitnichten.

Meine These: Den wirklich devoten Menschen gibt es gar nicht

Echte Devotion, so wie ich sie für mich weiter oben definiere, ist selten. Ich kenne eine Handvoll, die so sind – und glaubt mir, ich kenne wirklich sehr viele SMer.

Ich bin nun seit fast 15 Jahren in dieser Szene unterwegs, ich kenne mich, ich kenne meinen Platz und ich weiß mich mittlerweile zu definieren. Devotion ist dabei ein Wort, was ich in Bezug auf mich mit Sicherheit nicht verwenden würde…

Und ich gehe noch weiter. Ich wage die These aufzustellen, dass es den wirklich devoten Menschen überhaupt nicht gibt. Denn nach jener Definition, nämlich sein Glück zu ziehen aus dem Glück des anderen, zurückzustecken für den, der oben ist, sich hinzugeben ohne an die eigenen Belange zu denken und zu geben, das funktioniert bei jedem Menschen nur bis zu einem gewissen Punkt. Das Ungleichgewicht des Geben und Nehmen, welche Grundlage des D/S ist, ist nur ein Scheinbares. Denn auch der/die Dom(se) gibt: Er gibt Führung, Halt, Geborgenheit und Liebe. Und bekommt Liebe und Hingabe im Gegenzug.

Stirbt die Liebe, stirbt auch die Hingabe. Und aus Hingabe wird Aufgabe, wenn eine Beziehung an dieser Stelle weitergeführt wird. Und sich selbst aufzugeben, das hat nichts mit Devotion zu tun.

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