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Schweden verbietet Camshows
Schweden – das Land der endlosen Sommernächte, der roten Holzhäuser und der liberalen Gesellschaftspolitik. Doch nun sorgt das skandinavische Vorzeigeland mit einer Entscheidung für weltweites Aufsehen: Schweden kriminalisiert und verbietet ab Juli 2025 bezahlte Camshows und erotische Livestreams. Für viele klingt das nach einem Paradigmenwechsel – und tatsächlich markiert das neue Gesetz einen Meilenstein in der europäischen Sexarbeitsdebatte.
Das neue Gesetz: Was ist verboten?
Ab dem 1. Juli 2025 ist es in Schweden illegal, für sexuelle Handlungen im Rahmen von Livestreams zu bezahlen. Damit sind vor allem Plattformen wie OnlyFans, Chaturbate oder MyFreeCams betroffen, auf denen User gegen Bezahlung live erotische Inhalte konsumieren und sogar interaktiv Einfluss auf das Geschehen nehmen können. Wer künftig für eine Camshow bezahlt oder aktiv an Live-Sex-Performances im Netz teilnimmt, macht sich strafbar – und riskiert bis zu einem Jahr Gefängnis.
Erlaubt bleiben hingegen klassische Porno-Videos, die aufgezeichnet und ohne Interaktion konsumiert werden. Das Gesetz zielt ausdrücklich auf Live-Inhalte ab, bei denen Zuschauer gegen Geld Einfluss nehmen können – etwa durch Trinkgelder oder das Bestellen individueller Handlungen.
Das Nordische Modell – jetzt auch digital
Schweden ist seit 1999 Vorreiter des sogenannten Nordischen Modells: Nicht die Sexarbeiter selbst, sondern deren Kunden werden bestraft. Ziel ist es, die Nachfrage nach Sexarbeit zu reduzieren und vor allem Frauen vor Ausbeutung zu schützen. Bislang galt dieses Modell nur für körperliche Kontakte, also klassische Prostitution. Mit der neuen Gesetzesänderung wird das Prinzip erstmals auf die digitale Welt ausgeweitet.
Das bedeutet: Wer eine Person dazu „verleitet, eine sexuelle Handlung gegen Entgelt vorzunehmen oder zu dulden, um daran teilzunehmen oder sie vorgeführt zu bekommen“, macht sich strafbar. Das bloße Zuschauen beim Ausziehen bleibt erlaubt, ebenso der Kauf von Porno-Filmen – aber sobald Geld für eine explizite Live-Interaktion fließt, greift das Gesetz.
Die Argumente der Regierung: Schutz vor Ausbeutung
Die schwedische Regierung begründet das Verbot mit dem Schutz junger und verletzlicher Menschen. Ministerpräsidentin Teresa Carvalho betont, man wolle nicht die Urheber von Erwachseneninhalten ins Visier nehmen, sondern vor allem verhindern, dass junge Menschen in die Prostitution oder sexuelle Ausbeutung abgleiten. In der Gesetzesbegründung wird auf nachgewiesene Verbindungen zwischen Online-Prostitution, Menschenhandel, Drogenmissbrauch und anderen Formen der Ausbeutung verwiesen.
Auch die Polizei sieht Plattformen wie OnlyFans als Orte, an denen Minderjährige und gefährdete Personen in die Sexarbeit gezogen werden könnten. Die Regierung sieht in der digitalen Sexarbeit eine neue Form des Sexkaufs, die genauso bestraft werden müsse wie die klassische Prostitution.
Kritik von Sexarbeiter und Plattformen
Die Reaktionen auf das neue Gesetz sind heftig. Besonders Plattformen wie OnlyFans und Verbände für die Rechte von Sexarbeitern kritisieren, dass ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird. Sie argumentieren, dass viele Menschen – insbesondere Frauen, LGBTQI+, Migranten und Andersfarbige – durch digitale Sexarbeit ein selbstbestimmtes und vergleichsweise sicheres Einkommen erzielen.
Yigit Aydin von der European Sex Workers’ Rights Alliance (ESWA) warnt: Das Gesetz schütze keine Sexarbeiter, sondern dränge sie in gefährlichere, weniger kontrollierbare Umgebungen. Zudem führe es zu Zensur und digitaler Ausgrenzung, da Plattformen aus Angst vor Strafen Inhalte sperren oder ganze Accounts löschen könnten.
Die internationale Dimension: Ein Präzedenzfall für Europa?
Mit dem neuen Gesetz geht Schweden weiter als viele andere Länder. Zwar gibt es in den USA mit SESTA/FOSTA bereits ähnliche Regelungen, die Plattformen für Sexarbeit haftbar machen. Doch Schweden ist das erste Land, das explizit die Kunden von Camshows kriminalisiert und das Nordische Modell ins Digitale überträgt.
Viele Beobachter sehen darin einen gefährlichen Präzedenzfall: Sollte das Gesetz Schule machen, könnten andere europäische Länder nachziehen und die Kriminalisierung von Online-Sexarbeit ausweiten. Das könnte die gesamte Erotikbranche im Netz verändern und einen Trend zu mehr Überwachung und Zensur auslösen.
Was bedeutet das für User und Anbieter?
Für User in Schweden wird es ab Juli 2025 riskant, erotische Livestreams zu konsumieren oder für Camshows zu bezahlen. Wer erwischt wird, muss mit empfindlichen Strafen rechnen – bis zu einem Jahr Gefängnis sind möglich. Anbieterinnen von Camshows verlieren einen wichtigen Markt und müssen sich auf Einbußen einstellen.

International tätige Plattformen wie OnlyFans stehen vor der Herausforderung, schwedische User zu sperren oder ihre Dienste technisch zu beschränken. Einige Anbieter könnten versuchen, das Gesetz durch technische Schlupflöcher zu umgehen – doch die Unsicherheit bleibt groß.
Wie soll das Gesetz durchgesetzt werden?
Ein Knackpunkt bleibt die praktische Umsetzung: Wie will der schwedische Staat Verstöße im anonymen Internet nachweisen? Viele Abgeordnete räumen ein, dass die Strafverfolgung im Online-Bereich schwierig ist. Dennoch setzt die Regierung auf Abschreckung und hofft, dass die Angst vor Strafe die Nachfrage nach Camshows senkt.
Erotik im Netz: Was bleibt erlaubt?
Wichtig für alle Erotik-Fans: Das Verbot betrifft ausschließlich Live-Inhalte, bei denen Zuschauer gegen Bezahlung Einfluss auf das Geschehen nehmen. Klassische Porno-Videos, die aufgezeichnet und ohne Interaktion konsumiert werden, bleiben weiterhin erlaubt.
Auch das bloße Zuschauen bei nicht-sexuellen Handlungen (z.B. Striptease ohne explizite sexuelle Interaktion) ist nicht strafbar. Hier sind die Grenzen sicherlich nicht genau abgesteckt.
Schweden und die Zukunft der digitalen Erotik
Schweden setzt mit dem Verbot bezahlter Camshows ein klares Zeichen – zum Schutz vor Ausbeutung, aber auch mit erheblichen Nebenwirkungen für die Sexarbeitsbranche und die sexuelle Selbstbestimmung. Für viele Erotik-Fans und Anbieter bedeutet das Gesetz einen Einschnitt und einen Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen in anderen Ländern.
Ob das Verbot tatsächlich zu mehr Schutz führt oder lediglich die Sexarbeit in unsicherere, weniger sichtbare Bereiche verdrängt, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Schweden bleibt auch im Bereich der Erotikpolitik ein Land, das Debatten anstößt – und die Zukunft der digitalen Lust mitgestaltet.
Schweden bleibt damit nicht nur für seine atemberaubende Natur und seine offene Gesellschaft bekannt, sondern ab sofort auch als das erste Land Europas, das den Online-Kauf von Camshows unter Strafe stellt. Wie sich das auf die internationale Erotikszene auswirkt, wird die Zeit zeigen. Eines ist sicher: Die Erotik im Netz bleibt in Bewegung – und Schweden steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit.